Karfreitag?
Lange konnte ich mit diesem religiösen Feiertag wenig anfangen. Doch ich habe die Botschaft wieder entdeckt durch Streetart von Clet Abraham in Florenz.
Es war vor einigen Jahren, im März 2011. Ich war mit meiner Reisegruppe in Florenz unterwegs zu einem beliebten Lokal zwischen Palazzo Rucellai und Bahnhof S. Maria della Novella. Im Ristorante Il Latini hängen die Schinken von der Decke und die Tische biegen sich, wenn die Kellner anfangen, die Köstlichkeiten der toskanischen Küche aufzutragen. Ein Schlaraffenland für Genießer! Ich war schon öfter dort, doch musste ich mich konzentrieren, um die richtige Gasse zu finden. In der Via dei Palchetti hab ich dann überraschend das Verkehrszeichen entdeckt.
Das Verkehrszeichen für Sackgasse, blau mit einem stilisierten weißen Weg, der am Ende mit einem roten Querbalken begrenzt ist. Seht selbst! Das Verkehrszeichen war beklebt mit der Silhouette des toten Christus am T-Kreuz. Ich war sprachlos, fassungslos.
Sackgasse Tod.
Wie oft schon hab ich ein Kruzifix gesehen! Ich bin evangelisch aufgewachsen. In jeder evangelischen Kirche gibt es in der Regel nur eine bildliche Darstellung im Kirchenraum, der tote Christus am Kreuz über dem Altar. Fokus auf Karfreitag!
Ich kann mich noch gut erinnern, wie schrecklich Karfreitag für mich als Kind war. Wir sollten nicht lachen, nicht albern, nicht draußen spielen. Warum? Weil Christus für uns gestorben war. Karfreitag! Als Jugendliche konnte ich den schulfreien Tag genießen, aber es gab keine Disco oder sonst ein Vergnügen an diesem Tag. Es war Karfreitag. Dann mussten wir auch noch Fisch essen. Es gab das ganze Jahr kaum Fisch und dann ausgerechnet am Karfreitag. Als Kinder hatten wir Angst vor den Gräten, wir dachten, wir könnten daran ersticken. Es war Karfreitag.
Nun fand ich überraschend dieses Verkehrszeichen mit dem toten Christus in einer kleinen Gasse in Florenz. Sackgasse Tod.
Es hat mir keine Ruhe gelassen. Ich musste herausfinden, was es bedeuten sollte, wer dahinter steckt. Bald hatte ich das Rätsel gelöst.
Der französische Künstler Clet Abraham lebt seit einigen Jahren in Florenz. Er ist Streetartist. Er macht Eingriffe in den öffentlichen Raum, meist unerlaubterweise, doch vielfach geduldet. Er beklebt Straßenschilder und schafft damit Überraschungen und Denkzettel. Er hat viele verschiedene Motive entwickelt, die ich euch demnächst mal in einem anderen Blogbeitrag vorstellen werde. Ich hab viele Motive gefunden, in Florenz und Rom, in Mailand und Neapel, in Assisi, in Paris und Berlin.
und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte …
Johannesevangelium 19, 17
Am eindrucksvollsten finde ich seine religiösen Motive, die unerwartet in den Straßen auftauchen und mich verblüffen. Ich weiß nicht, wie religiös der Künstler Clet Abraham ist. Seine subversiven Eingriffe in die Hektik oder Banalität unserer Städte, in denen wir immer weniger als Menschen sondern vor allem als Konsumenten angesprochen werden, sind für mich ein großes Geschenk und eine Hilfe, manchmal auch die Botschaft des Glaubens neu zu verstehen. Ist der Glaube ein Ausweg aus der Sackgasse?
„Ich suche nach dem Sinn.“ So sagte Clet Abraham einmal in einem Interview.
Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
1. Brief des Petrus 5,7
Die künstlerisch veränderten Verkehrszeichen sind oft nur kurz im Stadtbild zu finden. Das Detail der Kreuzigung, die vom Nagel durchbohrte Hand, hab ich im März 2014 in Rom unweit der Trajanssäule entdeckt, bei meinem nächsten Besuch in Rom war der Sticker schon verschwunden.
Städte sind nicht nur zum Einkaufen da. Manchmal gibt es auch etwas kostenlos.
Zum Denken!
Danke Clet Abraham.
Was bedeutet euch Karfreitag? Welche Erinnerungen habt ihr daran?
Wie gefällt euch die Streetart von Clet Abraham?
Schreibt mir doch etwas dazu in die Kommentare.
Danke.
Letztes Jahr in Florenz habe ich auch „Balkenträger“ gesehen und bewundert. Schön, dass ich jetzt mehr darüber weiß, danke.
Liebe Frau Gärttling, danke für Ihr Interesse an meinem Blog. Buona Pasqua. Frohe Ostern.
Andrea Welz
Sehr schöne Sammlung zum Thema Karfreitag. Einige der Schilder habe ich damals in Florenz auch gesehen, aber mehr darüber hatte ich nicht gewusst 🙂
Werde deinen Artikel bald in einem Beitrag bei mir erwähnen, zu weiterführenden Infos zu Florenz.
Passt zu meinem derzeitigen Schwerpunkt ganz wunderbar!
LG, Ilona
Hallo Ilona,
das freut mich ja, dass du meinen Artikel zur Streetart von Clet Abraham entdeckt hast! Ich hab dafür deinen Aufruf zur Blogparade „Florenz“ gesehen. Gute Idee! da hab ich schon einen Beitrag im Kopf. Mal sehen, ob ich es noch schaffe …
Herzliche Grüsse,
Andrea
Da würd ich mich natürlich freuen, wenn das noch klappte! 🙂
Ein berührender Blogeintrag, der mich Straßenschilder hat neu sehen lassen – und zu meiner diesjährigen Karfreitagspredigt inspiriert hat. Vielen Dank, Frau Welz.
Herzliche Grüße aus Berlin,
Sonja Albrecht
http://www.gemeinde-schlachtensee.de/gottesdienst/predigten.html
Mich beeindrucken die beiden Balkenträger.
Mitten im Straßengewirr das Schild zu sehen: Einer trägt, schleppt schwere Lasten weg.
Mitten im eigenen Alltagsgewirr darauf gestoßen zu werden: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ (1 Petrus 5,7)
Da ist ja soviel, das ich heute in mit herumtrage …
Und plötzlich reicht die Zeit für ein Stoßgebet.
Liebe Andrea,
Vielen Dank für den Beitrag, heute am Karfreitag. Mir ging es ganz ähnlich wie Dir, als Kind fand ich den Karfreitag immer düster und bedrohlich. Ich erinnere mich an Gottesdienste in denen Wolken die Sonne verdunkelten, wenn im Evangelium von Jesu Tod am Kreuz erzählt wurde. Da war ich immer sehr beeindruckt. Ich habe die beklebten Verkehrsschilder in Florenz und Rom auch oft gesehen. Sackgasse Tod – ein spannendes Bild. Der Kern unseres Glaubens…. dass dieser Tod eben keine Sachgasse und kein Ende ist sondern ein Anfang. Das war für mich im letzten Jahr nach dem Tod meines Mannes ein großer Trost.
Liebe Grüße und frohe Ostern
Andrea
Liebe Andrea, herzlichen Dank für deinen Kommentar und die persönlichen Worte. Durch das Schild von Clet hab ich Karfreitag auch neu verstanden, danach kommt Ostersonntag – das offene Grab. Auch wenn wir im Lockdown sind. Frohe Ostern, Andrea