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Letzte Gelegenheit: STAMMHEIM

Andreas Magdanz hat sich Zeit gelassen. Gut vier Monate hat er in STAMMHEIM gelebt, einem Stadtteil am nördlichen Rand von Stuttgart, um die Justizvollzugsanstalt JVA Stammheim zu fotografieren. Für die Verwaltung der JVA war es sehr unüblich, dass sich ein Fotograf so viel Zeit nimmt. Meist kommen die Foto- und Filmteams nur ein paar Stunden und wollen direkt in den 7. Stock, wo die Zellen von Baader, Meinhof, Ensslin und den anderen RAF-Mitgliedern waren. Andreas Magdanz arbeitet anders. Er braucht Zeit. Er nähert sich langsam an. Er hatte sich eine Wohnung genommen in der direkt an die Gefängnismauer angrenzenden Siedlung für die Justizbeamten der JVA. Aufwachen in unmittelbarer Nachbarschaft der JVA, einschlafen mit dem Scheinwerferlicht des Gefängnishofes, das nie ausgeht. Hier zwitschern die Vögel Tag und Nacht, so hat er festgestellt, weil es nie dunkel wird. Magdanz wollte allein sein, sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren.

 

In Kürze soll das 1963 erbaute Gefängnis abgerissen werden. Deshalb hatte sich Magdanz entschieden, diesen für die Geschichte der Bundesrepublik bedeutsamen Ort zu dokumentieren. Hunderte von Fotografien sind so entstanden. Er benützt eine digitale Hochleistungskamera, die „gefühlt sechs mal mehr sieht als das menschliche Auge“, so Magdanz im Gespräch mit der Kulturredakteurin Susanne Kaufmann im Kunstmuseum.

Andreas Magdanz: Stammheim

Rund dreißig der digitalen Großformatfotografien sind noch bis 24.03.2013 im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen. Magdanz stellt Schwarz-Weiß-Fotografien aus, nur ein einziges Foto ist farbig. Das Foto der Zelle 719, in der  Ulrike Meinhof am 9.5.1976 am Zellenfenster erhängt und am 18.10.1977 Andreas Baader erschossen aufgefunden wurde.

 

 

Dieses Foto hat er ganz zum Schluss gemacht. Er hat von außen nach innen, von unten nach oben, vom Erdgeschoß bis zum Dach gearbeitet. Schließlich ist er im 7. Stock angekommen, in Zelle 716 war Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin zunächst in Zelle 718, später in Zelle 720 inhaftiert. In Zelle 725 war Irmgard Möller. Als Einzige hat sie die Todesnacht von Stammheim überlebt. Magdanz ließ sich über Nacht in der JVA einschliessen. Er meint, er könne sich nicht vorstellen, dass Schüsse gefallen seien, ohne dass jemand dies gehört hätte.

Bis heute ist fraglich, was wirklich in der Nacht vom 17.10. auf 18.10.1977 in Stammheim geschah. Andreas Magdanz hat die Orte des Geschehens festgehalten als Unbeteiligter. Die Orte verraten nichts von den Ereignissen. Es sind dennoch eindringliche Bilder, die Orte deutscher Geschichte zeigen. Es leben heute noch Menschen, die mehr wissen müssten über die Geschehnisse in Stammheim. Magdanz schlägt vor, man solle den Beteiligten die Option geben, dass sie freiwillig aufschreiben, was sie wissen, was wirklich geschah in Stammheim. Magdanz bekennt, dass ihn die Arbeit in Stammheim verändert hätte.

Schon zuvor hatte er sich ungewöhnliche Orte für seine Projekte ausgesucht:
2000 eine unterirdische Bunkeranlage für die Regierung Dienststelle Marienthal,
2005 BND-Standort Pullach und 2008 die NS-Ordensburg Vogelsang.

Wer die Ausstellung verpasst hat, sollte sich das hervorragende Fotobuch Andreas Magdanz: Stammheim anschauen, erschienen 2012 im Hatje Cantz Verlag Stuttgart.

Unter dem Label MagBooks by Andreas Magdanz soll ein e-Book STAMMHEIM erscheinen.

Schon erschienen ist das MagBook „Hans und Grete – Bilder der RAF 1967-1977“ herausgegeben von Astrid Proll, ein perfekt animiertes Fotobuch für das iPhone und das iPad.

Für Andreas Magdanz ist STAMMHEIM nach seinen eigenen Worten, sein vorläufig „letztes deutsches Projekt“. Im Augenblick sieht er kein weiteres Thema in Deutschland. Er möchte auch mal etwas Leichtes, Buntes machen!
Vielleicht die Neverland Ranch von Michael Jackson in Kalifornien. Hoffentlich gelingt ihm dieses Vorhaben! Ich bin gespannt!

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