Reiseblog

Ein Wochenende in Venedig

Ein Wochenende in Venedig sollte immer auf dem Markusplatz beginnen.

Hier sind alle angekommen, seit Jahrhunderten. Die Dogen, Päpste, Reliquien, sicher auch Napoleon, und heute die Touristen. 30 Millionen Touristen sollen es im Jahr 2011 gewesen sein. Trotzdem ist Venedig schön. Zum Verlieben schön.

„Venedig lockt, fängt ein, verführt mit seinem Licht, seiner Wasserluft, der Geisterluft… Der Reisende wird aus der Bahn geworfen. Er ist an Land gesprungen, des Abenteuers gewiss…“, so schreibt Wolfgang Koeppen in seinen Erinnerungen „Ich bin gern in Venedig warum“.

PIazzetta in Venedig. Foto © Welz (2012)

Besonders schön ist der Markusplatz mit seinen Arkadengängen und den berühmten Cafés am frühen Morgen oder gegen Abend, wenn die Tagestouristen die Stadt wieder verlassen haben oder in der Nacht, wenn die Orchester abwechselnd mit ihrer Musik den Platz in eine Bühne verwandeln. Welch eine Überraschung an diesem Septemberwochenende! Am späten Abend kommt das Wasser, doch die Musiker spielen weiter, auch wenn die Gäste gehen. Eine Stimmung wie beim Untergang der Titanic. Die Musiker kommen heute aus Rumänien oder Albanien, so erfahre ich bei einem Spritz an der Bar im Café Lavena. Sie arbeiten für weniger Geld.

Eine Nacht in Venedig: Hochwasser auf dem Markusplatz. Foto © Welz {2012)

Der nächste Morgen beginnt mit einem Besuch des Rialtomarktes. Herrlich wie die letzten Hausfrauen Venedigs mit ihren Einkaufswagen auftauchen, um frischen Fisch oder Gemüse zu kaufen. Die Touristen kommen leider nur um zu schauen und die Originalschauplätze von Commissario Brunetti aufzusuchen.

 

Rialtomarkt Venedig: Rialto no se toca. Foto © Welz (2012)

Rialto no se toca, brüllt der Markuslöwe auf dem knallroten Banner über den Fischständen. Was hat es damit auf sich? Der Großmarkt für Fische sollte verlegt werden, vom Tronchetto aufs Land nach Mestre oder Fusina, so erfahre ich, um dort neue zeitgemäße Hallen zu beziehen und hier den Kreuzfahrtschiffen mehr Platz zu bieten. Die Fischhändler vom Rialtomarkt haben protestiert. Der Einkauf hätte sich für sie nicht mehr gelohnt. Sie hätten nicht, wie heute, mit ihren Booten morgens um 4 Uhr rausfahren können zum Mercato ittico, um den frischen Fisch einzukaufen. Sie hätten dann auch einen Lieferwagen gebraucht, um den Landweg zu meistern, mehr Zeit, mehr Aufwand, …

Nach einem Cappuccino geht es weiter zur Frari-Kirche, um dort die großartige Assunta von Tizian, die wunderschöne Madonna mit Kind von Giovanni Bellini oder das Grab von Claudio Monteverdi zu bewundern. Doch ich entdecke auch noch ganz andere Dinge!

No Grandi Navi. Es reicht mit den großen Kreuzfahrtschiffen. Foto © Welz (2012)

Am Bauzaun der Frari-Kirche finde ich eine Menge Graffiti NO TAV – NO DAL MOLIN – NO GRANDI NAVI und ein Plakat:

Kommt alle in Booten am Sonntag zur Zollstation, und wer keins hat, der kommt zu Fuss! Niemand hat das Recht, mit unserem Leben und unserer Stadt zu spekulieren!

Die Venezianer planen mit einer Blockade des Giudecca-Kanals ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, endlich die großen Kreuzfahrtschiffe aus dem Bassin vor dem Markusplatz zu verbannen! Ob Ihnen das gelingen wird? Ich beschließe am Sonntagmittag zur Punta della Dogana zu gehen …

Gibt es doch noch ein Leben jenseits des Tourismus in Venedig, so frage ich mich. Die Einwohner in Venedig werden immer weniger, kleine Geschäfte wie Bäcker, Metzger, Lebensmittelläden verschwinden. Mehr Masken, mehr Ledertaschen, mehr Souvenirs für die durchreisenden Touristen. Auffallend ist, dass auch immer mehr Venezianer ihre Geschäfte entweder verkaufen oder verpachten und nur noch arbeiten lassen. Chinesen scheinen die Ledergeschäfte übernommen zu haben, viele Inder und Pakistani arbeiten in den Bars und in den Küchen.
Nur die Jobs, die richtig gut Geld bringen, scheinen noch in venezianischer Hand zu sein: die Gondeln und die Wassertaxis.

Ich bin gespannt, was wird aus Venedig?
und wieviele kommen am Sonntagnachmittag zum Protest gegen die großen Schiffe?

 

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