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Kunstmuseum: Josephine Baker in Stuttgart

Josephine Baker tanzt seit einigen Wochen auf der Glasfassade des Kunstmuseums Stuttgart. Sie ist das Covergirl, der weibliche Star der Ausstellung I GOT RHYTHM – KUNST UND JAZZ seit 1920, die als Höhepunkt des Jubiläumsjahres des Museums  (10 Jahre Kunstmuseum) noch bis zum 06.03.2016 gezeigt wird.

 

Josephine Baker in Stuttgart – I got rhythm … Kunstmuseum Foto © Welz

 

Die Silhouette der Tänzerin im berühmten Bananenröckchen ist angelehnt an die Lithographie von Paul Colin, Tumulte noir, 1929 (Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg). Die Mappe mit einer Auswahl der insgesamt 44 Lithographien ist ausgestellt.

 

Die Nacht von Aristide Maillol und Josephine Baker - Austellungsplakat I got rhythm Kunstmuseum Stuttgart. Foto © Welz
Die Nacht von Aristide Maillol und Josephine Baker – Austellungsplakat I got rhythm Kunstmuseum Stuttgart. Foto © Welz

 


Josephine Baker im Kunstmuseum

Der gesamte Kubus im 1. Stock des Kunstmuseums ist der Künstlerin Josephine Baker (1906-1975) gewidmet. Sie ist zu sehen und zu hören. Kurze Filmausschnitte von ihren legendären Auftritten in den 1920er Jahren in Paris. Hinreißend, mit welchem Elan sie tanzt, wie sie die Augen verdreht, wie kraftvoll und selbstbewußt sie ihren fast nackten Körper inszeniert. Im Audioguide der Ausstellung kann man Josephine Baker hören: I love dancing, 1927. Am 2. Oktober 1925 begann ihre Karriere mit einem Auftritt im Théâtre des Champs-Élysées in Paris. Sie war erst 19 Jahre alt. Noch nie hatte jemand vor ihr auf diese Weise getanzt.

 

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Zeitgenössische Künstler haben sie verehrt und in ihren Werken festgehalten.

Der Mexikaner Miguel Covarrubias hat für sie auch Kostüme und Bühnenbilder entworfen. Von ihm ist die Zeichnung Jazz Baby aus dem Jahr 1925 zu sehen. Kees van Dongens bevorzugtes Motiv waren Frauen. Mit seinen Frauenporträts hatte er vor allem in den 1920er Jahren Erfolg: Josephine Baker au Bal Nègre, 1925.

Adolf Loos lernte die Baker bei einer Party kennen. Beeindruckt entwarf er 1927 ein Haus für sie, schwarz-weiß gestreift, mit einem Schwimmbad im Innern über zwei Stockwerke, in das man durch Spiegelglas wie in ein Aquarium hineinschauen konnte. Männerphantasien! Das Haus wurde nie gebaut, das Modell stand ein paar Wochen in der Ausstellung.

In Henri Matisse‘ Mappe JAZZ aus dem Jahr 1947 gibt es das Blatt 12 mit dem Titel: Die Schwimmerin im Aquarium. Eine späte Hommage an Josephine Baker?
Mit dem Architekten Le Corbusier war Josephine Baker auf dem Schiff unterwegs, sie sang für ihn in seiner Kabine. Er schrieb ein Ballett für sie und zeichnete sie schlafend. Er forderte neue Bauten aus dem Geist ihres Tanzes heraus.

1949 schrieb Willi Baumeister eine Postkarte an Karl Gutbrod: Im Folies Bergère: Josephine Baker lässt sich auf einer Schaukel von der Decke herunter. 100 Tänzerinnen – 50 Kostüme. Er zeichnet sie mit Hochsteckfrisur und schwingenden Brüsten! Ein Exponat aus dem Archiv Willi Baumeister, das sich seit 2005 im Kunstmuseum Stuttgart befindet.

 

Lucien Waléry (1863-1935), Josephine Baker in Banana Skirt from the Folies Bergère production „Un Vent de Folie“, 1927 Paris via wikimedia commons

 

Wie ist der weibliche Blick auf Josephine Baker?

Auch Positionen zeitgenössischer Künstlerinnen werden ausgestellt: Kara Walker (USA, 1969-) zeigt die Baker mit ihrem Bananenröckchen als schwarzen Scherenschnitt auf weißer Wand. Sie befriedigt sich jedoch selbst, sie lutscht an einer Brustwarze, vor ihr ein kleines Männchen, das gierig an einer Stoffbanane ihres Röckchens saugt.
Es scheint: Josephine Baker lässt sich nicht zum Sexualobjekt degradieren.

Marlene Dumas (ZA, 1953-) zeigt sie in ihrem Gemälde Josephine (not tonight) aus dem Jahr 1997 eher zerbrechlich.

Ditte Ejlerskov aus Dänemark (DK, 1982-) hat Fotos von Josephine Baker gesucht, gefunden, gerahmt und kommentiert, eingraviert in das Glas des Rahmens. Ihre Arbeiten heißen:

„I said: where my fat ass big bitches in the club?“ oder
„When they start talking crazy that’s when I know that they want some more“,
„This is what I gotta do to keep me from falling“,
„If you looking for the main attraction just hold on tight and let me do my dance“.

Einen kritischen Blick auf die Ausstellung „Kunst und Jazz seit den 1920er Jahren“ und den Fokus auf Josephine Baker bietet Franziska Buhre in ihrem Beitrag für den TAZ-Blog: Was ist Jazz an Josephine Baker?

 

Josephine Baker in Berlin

Am 14. Januar 1926 trat Josephine Baker im Nelson-Theater am Kurfürstendamm in Berlin erstmals in Deutschland auf. Anlässlich ihres Engagements war sie häufiger Gast in Karl Vollmoellers Berliner Wohnsitz am Pariser Platz. Wie es bei diesen Treffen zuging, hat Harry Kessler (1868-1837) in einigen seiner Tagebucheintragungen festgehalten, so am 13. Februar 1926:

„Um eins, nachdem gerade meine Gäste gegangen waren, rief Max Reinhardt an, er sei bei Vollmoeller, sie bäten mich beide, ob ich nicht noch hinkommen könne? Miss Baker sei da, und nun sollten noch fabelhafte Dinge gemacht werden. Ich fuhr also zu Vollmoeller in seinen Harem am Pariser Platz und fand dort außer Reinhardt und Huldschinsky zwischen einem halben Dutzend nackter Mädchen auch Miss Baker, ebenfalls bis auf einen roten Mullschurz völlig nackt, und die kleine Landshoff (eine Nichte von Sammy Fischer) als Junge im Smoking (…) Die nackten Mädchen lagen oder tänzelten zwischen den vier oder fünf Herren im Smoking herum, und die kleine Landshoff, die wirklich wie ein bildschöner Junge aussieht, tanzte mit der Baker moderne Jazztänze zum Grammophon.“

Quelle: Seite „Josephine Baker“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 13. Januar 2016, 11:01 UTC.
URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Josephine_Baker&oldid=150157660 (Abgerufen: 26. Januar 2016, 10:25 UTC)

 

Stuttgart: Josephine Baker wirbt in Stuttgart für die Ausstellung KUNST & JAZZ seit den 1920er Jahren - Foto © Welz
Stuttgart: Josephine Baker wirbt in Stuttgart für die Ausstellung KUNST & JAZZ seit den 1920er Jahren – Foto © Welz

 

Josephine Baker in Stuttgart

Vermutlich war es  der Stuttgarter Karl Volmoeller (geboren 1878 in Stuttgart, gestorben 1948 in Los Angeles), der Josephine Baker nach Stuttgart ins Friedrichsbau Varietétheater brachte. Der agile Sohn eines Stuttgarter Textilunternehmers war ein Multitalent: Schriftsteller, Archäologe, Philologe, Lyriker, Dramatiker, Drehbuchautor, Übersetzer, Pionier des Automobilbaus, Flugzeugkonstrukteur, Pionier des Stumm- und Tonfilms und Talentsucher. Nach dem ersten Weltkrieg lebte er regelmäßig mehrere Monate in Amerika. Er entdeckte Josephine Baker und verschaffte ihr Auftrittsmöglichkeiten in Berlin und Stuttgart.

Das Friedrichsbau Varietétheater befand sich im Friedrichsbau. Die Brauerei Wulle hatte das ursprünglich klassizistische Gebäude gekauft und kurz vor 1900 umbauen lassen in ein fünfstöckiges Jugendstilhaus mit Erkern, Balkonen und Türmen. Hauptattraktion war der große Theatersaal mit etwa 800 Plätzen im ersten Stock. 1901 übernahm der Wiener Ludwig Grauaug die Leitung des Theaters. Grauaug verstand es, alle berühmten Varieté-Stars der Zeit nach Stuttgart zu holen, Ende der 1920er Jahren auch die junge Josephine Baker.
In Stuttgart war schwer was los in den 1920er Jahren. So schreibt Fritz West in seinem Stadtführer „So ist Stuttgart. Ein unterhaltsamer Begleiter für In- und Ausländer“ noch im Jahre 1933: „Abends wohin? … ins Bett sicher nicht. … es wird hurtig gejazzt … und der Tango gerne bei rosenrotem Licht getanzt.“

Nach 1933 hatte alles ein Ende: Der Oberbürgermeister Carl Lautenschlager wurde in den Ruhestand gedrängt, Samuel Kraushaar, der in den 1920er Jahren das Schauspielhaus geleitet und zu einer erstklassigen Bühne gemacht hatte, musste schließen. Albert Kehm vom Württ. Landestheater wurde beurlaubt, viele Künstler, Sänger, Musiker, Tänzer verloren ihre Anstellung. Der Varietéunternehmer Ludwig Grauaug hatte schon 1933 mit seiner Familie fluchtartig Stuttgart verlassen, sie waren jüdischen Glaubens und erkannten die Zeichen der Zeit. 30 Jahre hatte er das Friedrichsbau-Varieté geleitet.

Nach 1945 kam Josephine Baker noch einmal nach Stuttgart. Im September 1950 trat die Sängerin und Tänzerin Josephine Baker im Franz-Althoff-Bau in der Stuttgarter Neckarstraße auf, sie brachte Jo Bouillon mit,  „Frankreichs größten Jazzkomponisten“. Der französische Musiker war ihr vierter Ehemann. 1961 war die Baker Stargast beim Stuttgarter Presseball. Die Stuttgarter Zeitung zeigt in ihrem öffentlichen Fotoarchiv „vonZeitzuZeit“ ein Foto vom Auftritt.

Zum 50. Bühnenjubiläum im Jahr 1975 kam sie mit ihrer Show Josephine noch einmal zurück auf die Bühne. Kurz nach der Premiere erlitt sie eine Gehirnblutung, an deren Folgen sie am 12. April 1975 starb.

Josephine Baker bleibt unvergessen – auch in Stuttgart.


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Ausstellungskatalog: I Got Rhythm: Kunst und Jazz seit 1920/Art and Jazz since 1920
CD: 100 Jahre Friedrichsbau-Varieté
Kinderbuch: Powell, P: Josephine: The Dazzling Life of Josephine Baker (Coretta Scott King Illustrator Honor Books)
Frauen der 1920er Jahre: Jubiläumsausgabe
Sonderangebot: Stuttgart in den Roaring Twenties: Politik, Gesellschaft, Kunst und Kultur in Stuttgart 1919 – 1933
Das Standardwerk über den Jazz: Das Jazzbuch: Von New Orleans bis ins 21. Jahrhundert Fortgeführt von Günther Huesmann

 

Gerne biete ich Ihnen einen Stadtspaziergang in Stuttgart an, ergänzend zur Sonderausstellung im Kunstmuseum “I got rhythm – Kunst und Jazz seit 1920″

Die wilden 1920er Jahre in Stuttgart
In den 1920er Jahren entwickelte sich Stuttgart rasant von der königlichen Residenzstadt zur modernen Großstadt. Wir beginnen unseren Stadtspaziergang am Kunstmuseum, am ehemaligen Standort des Kronprinzenpalais. An verschiedenen Stationen hören wir von Kinos und Kaufhäusern, von Kunst und Architektur, von Straßenbahnen und Autoverkehr, von Theater und Varieté, von Politik, Gesellschaft und Musik der wilden Zwanziger Jahre in Stuttgart. Denn, man glaubt es kaum, in Stuttgart wurde „hurtig gejazzt“ und „Tango gerne bei rosenrotem Licht getanzt“.
Stadtspaziergang, Dauer 2 Stunden. 

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